Hyperprolaktinämie: Erhöhtes Prolaktin als Ursache für Unfruchtbarkeit


Ein kleines Rädchen kann das Getriebe durcheinanderbringen. So verhält es sich auch mit dem menschlichen Körper: Liegt ein Hormonwert außerhalb des Normbereichs, kann die Fruchtbarkeit der Frau massiv gestört werden und die gewünschte Schwangerschaft lange auf sich warten lassen. In diesem Blogartikel berichtet Dr. Sonja Zech über das Hormon Prolaktin, das, wenn erhöht, eine häufig diagnostizierte Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch darstellen kann – und zwar sowohl bei der Frau als auch beim Mann.



Was ist Prolaktin und was bewirkt es?

Prolaktin ist auch als Milchhormon oder Milchbildungshormon bekannt. Genau dafür ist es nämlich hauptsächlich zuständig: die Produktion und Absonderung (Sekretion) von Muttermilch während der Schwangerschaft, bzw. vor allem in der Stillzeit.

Gebildet wird das Hormon in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), und zwar auch außerhalb einer Schwangerschaft. Dabei hält der Neurotransmitter Dopamin das Prolaktin in Schach, sodass ohne Baby keine Muttermilch produziert wird. Das ist deshalb wichtig, weil Prolaktin zudem die Aufgabe hat, den Menstruationszyklus während Schwangerschaft und Stillzeit zu hemmen.

Tritt allerdings ohne Schwangerschaft ein erhöhter Prolaktinwert auf, spricht man von einer Hormonstörung, die Hyperprolaktinämie genannt wird.

Aufgrund der eben angesprochenen Einschränkung des weiblichen Zyklus kann eine Hyperprolaktinämie einen Schwangerschaftseintritt verhindern und somit die Ursache für unerfüllten Kinderwunsch sein.

Ursachen & Symptome von Hyperprolaktinämie


Häufig wird diese Hormonstörung durch einen Mangel an Dopamin hervorgerufen. Normalerweise sinkt der Dopamin-Spiegel bei einer Schwangerschaft, sodass der Prolaktinwert steigt und Muttermilch produziert werden kann. Allerdings gibt es auch bestimmte Medikamente, welche die Bildung von Dopamin unterdrücken können. Zu diesen Medikamenten zählen unter anderem Neuroleptika, Antidepressiva, Bluthochdruckmedikamente sowie Medikamente gegen Erbrechen und Übelkeit. Neben diesen Arzneien kann auch ein Hypophysen-Tumor die Bildung des Botenstoffs hemmen.

Weiters besteht die Möglichkeit, dass eine Schilddrüsenunterfunktion, eine Niereninsuffizienz oder das Polyzystische Ovar-Syndrom erhöhtes Prolaktin bedingen. Seltener ist ein Prolaktinom für eine Hyperprolaktinämie verantwortlich, hierbei handelt es sich um einen meist gutartigen Tumor, der selbst Prolaktin bildet. Schlaflosigkeit, Stress und seelische Belastungen können den Prolaktinwert ebenso steigen lassen.

Erhöhtes Prolaktin kann bei Frauen folgende Symptome hervorrufen:

  • Milchfluss bzw. Austreten von Milch (Galaktorrhoe), insbesondere bei Stimulierung der Brüste und Brustwarzen
  • Verminderung der Libido
  • Zyklusstörungen bis zum monatelangen Ausbleiben der Menstruationsblutung
  • Männlicher Behaarungstyp, z.B. Bartwuchs oder Brusthaare (Hirsutismus – meist in Kombination mit dem PCO-Syndrom)

Je nach Grad der Hyperprolaktinämie treten mehr Symptome auf bzw. sind diese stärker ausgeprägt.

Erhöhtes Prolaktin beim Mann


Nicht nur Frauen, auch Männer produzieren das Hormon Prolaktin. Warum das so ist, konnte wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt werden. Bekannt sind aber folgende Einflüsse auf den männlichen Organismus:

  • Reproduktive Gesundheit: Prolaktin spielt eine Rolle bei der Regulierung des männlichen Fortpflanzungssystems. Es beeinflusst die Leydig-Zellen im Hoden, die für die Produktion von Testosteron verantwortlich sind. Obwohl hohe Prolaktinspiegel die Testosteronproduktion hemmen können, ist ein gewisses Maß an Prolaktin notwendig, um die Testosteronspiegel und somit die reproduktive Gesundheit zu unterstützen.
     
  • Sexuelle Funktion: Prolaktin beeinflusst die sexuelle Zufriedenheit bei Männern. Nach dem Orgasmus steigt der Prolaktinspiegel vorübergehend an, was zur Refraktärzeit beiträgt, der Zeitspanne, in der ein Mann nach einem Orgasmus physiologisch nicht in der Lage ist, eine weitere Erektion zu erlangen oder zu ejakulieren. Dieser Mechanismus hilft, die sexuelle Funktion zu regulieren.
     
  • Immunsystem: Prolaktin hat immunmodulierende Eigenschaften und kann das Immunsystem beeinflussen. Es wirkt auf verschiedene Immunzellen und kann bei der Regulierung der Immunantworten eine Rolle spielen.
     
  • Psychologische Effekte: Einige Studien deuten darauf hin, dass Prolaktin zur Regulierung des Verhaltens und möglicherweise zur Förderung vaterähnlicher Verhaltensweisen beitragen könnte. Obwohl diese Effekte weniger gut verstanden sind, könnte Prolaktin bei der Entwicklung der Vater-Kind-Bindung und bei der Förderung von Fürsorgeverhalten eine Rolle spielen.
     
  • Knochengesundheit: Es gibt Hinweise darauf, dass Prolaktin die Knochengesundheit beeinflussen kann, indem es an der Regulierung des Knochenstoffwechsels beteiligt ist.

Diagnose & Behandlung bei erhöhtem Prolaktin

Die gute Nachricht vorweg: Eine Hyperprolaktinämie kann schnell und effektiv durch die Einnahme von Medikamenten behandelt werden, womit dem Kinderwunsch in der Regel nichts mehr im Wege steht.

Ein Prolaktinüberschuss wird mithilfe eines Bluttests nachgewiesen. Da sich das Prolaktin allerdings auch zeitweise aufgrund von Stress und seelischer Belastung erhöhen kann, wird einige Tage später ein zweiter Bluttest zur Kontrolle durchgeführt.

Gleichzeitig muss die Ursache für das erhöhte Prolaktin festgestellt werden. Während die Patientin auf das PCO-Syndrom untersucht wird, werden beide, Mann und Frau, auf eine mögliche Schilddrüsenunterfunktion, Medikamenteneinnahme sowie Tumore kontrolliert. Je nach Ursache wird daraufhin individuell therapiert.

In den meisten Fällen kann erhöhtes Prolaktin mithilfe von Medikamenten, sogenannte Dopaminagonisten, erfolgreich behandelt werden. Diese stimulieren die Dopamin-Rezeptoren. Auch Prolaktinome sprechen auf diese Medikamente an und können durch die Einnahme verschwinden. Daher ist eine Operation zur Entfernung der gutartigen Tumore nur in Ausnahmefällen notwendig, zum Beispiel wenn sie sehr groß sind oder nicht auf die Medikamente ansprechen.

Hypoprolaktinämie: Wenn der Prolaktinwert zu niedrig ist


Ein erniedrigter Prolaktinspiegel kommt deutlich seltener vor als ein erhöhter. Die Ursachen dafür sind größtenteils eine Überdosierung der Medikamente, welche das Prolaktin senken sollen oder, seltener, eine Insuffizienz der Hirnanhangsdrüse. Niedriger Prolaktinwert sorgt bei Frauen dafür, dass wenig bis keine Muttermilch gebildet werden kann. Bei Männern hingegen hat es kaum Auswirkungen.

Fazit: Erhöhtes Prolaktin & Kinderwunsch

Ist der Prolaktinwert bei Frau oder Mann erhöht, stellt dies häufig eine Ursache für unerfüllten Kinderwunsch dar. Aus diesem Grund wird im Rahmen der Diagnose unserer Patientenpaare stets auch der Prolaktinspiegel kontrolliert. Leidet die Kinderwunschpatientin oder der Kinderwunschpatient an Hyperprolaktinämie, ist diese durch Medikamenteneinnahme gut in den Griff zu bekommen. In den meisten Fällen reguliert sich anschließend der Menstruationszyklus der Frau und auch die Fruchtbarkeit des Mannes kehrt zurück, womit eine natürliche Schwangerschaftsempfängnis ermöglicht wird. Eine künstliche Befruchtungsmethode wird in der Regel erst dann notwendig, wenn zusätzliche Ursachen, die einen unerfüllten Kinderwunsch bedingen, vorliegen.

Quellen & weiterführende Artikel


Crosignani, P. G. (2006): Current treatment issues in female hyperprolactinaemia.
Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16288952/

Glezer, A. et al. (2022): Hyperprolactinaemia.
Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25905218/

Leidenberger, F. A. et al. (2014): Klinische Endokrinologie für Frauenärzte.
Link: https://www.researchgate.net/publication/321598601_Klinische_Endokrinologie_fur_Frauenarzte

Mah, P. M. & Webster, J. (2002): Hyperprolactinemia: etiology, diagnosis, and management.
Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12536359/

Verhelst, J. & Abs, R. (2003): Hyperprolactinemia: pathophysiology and management.
Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15871552/

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