Mehrlinge: Alles Wissenswerte im Überblick


Zwillinge, Drillinge, Vierlinge oder sogar Neunlinge – wie entstehen Mehrlinge, was ist auf natürlichem Weg möglich, und wie häufig kommen solche Schwangerschaften vor? In diesem Artikel erfährst du alles über die Entstehung, Formen und Besonderheiten von Mehrlingen.



Wie entstehen Mehrlinge?

Mehrlinge können auf natürliche Weise durch zwei wesentliche Mechanismen entstehen:

  1. Reifung und Befruchtung mehrerer Eizellen: Wenn mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen, befruchtet werden und sich erfolgreich in die Gebärmutter einnisten, entstehen mehreiige (polyzygote) Mehrlinge. Zwei Eizellen führen zu Zwillingen (zweieiige oder dizygote Zwillinge), drei zu Drillingen und so weiter.
  2. Teilung einer befruchteten Eizelle: Teilt sich eine befruchtete Eizelle einmal, entstehen eineiige Zwillinge (monozygote Zwillinge). Erfolgt die Teilung mehrfach, können auch höhergradige eineiige Mehrlinge wie eineiige Drillinge oder Vierlinge entstehen.

Die häufigste Mehrlingsform sind Zwillinge.

In seltenen Fällen kommt es zu einer Kombination beider Mechanismen. Beispielsweise können zwei Eizellen befruchtet werden, von denen sich nur eine teilt. Dies führt zu einer sogenannten gemischten Mehrlingsschwangerschaft mit sowohl eineiigen als auch zweieiigen Anteilen. Solche Fälle sind außergewöhnlich selten, können jedoch durch IVF begünstigt werden.

Seit der Entwicklung der künstlichen Befruchtung kommen mehreiige Mehrlingsschwangerschaften generell häufiger vor. Dies stellt eine dritte, künstliche Variante dar, wie Mehrlinge entstehen können: wenn im Zuge einer IVF mehr als ein Embryo in die Gebärmutter übertragen werden oder wenn durch eine hormonelle Stimulation mehr als eine Eizelle heranreift. Da Mehrlingsschwangerschaften allerdings eine erhebliche Belastung für die Frau darstellen, werden mittlerweile weltweit nur sehr selten mehr als zwei Embryonen eingepflanzt – oftmals auch nur noch einer.

Welche Formen von Mehrlingen gibt es?


Die Formen von Mehrlingen werden nach der Teilung und der Plazenta- sowie Fruchthöhlenstruktur unterschieden:

Monochorial-monoamnial: Alle Föten teilen sich eine gemeinsame Plazenta und eine einzige Fruchthöhle. Diese Form ist extrem selten und tritt nur auf, wenn alle Embryonen aus einer einzigen befruchteten Eizelle (Zygote) stammen und sich spät teilen.

Monochorial-diamnial: Alle Föten teilen sich eine Plazenta, haben jedoch separate Fruchthöhlen. Dies ist möglich, wenn z.B. drei Embryonen aus einer Zygote stammen und sich unterschiedlich spät teilen.

Dichorial-diamnial: Jeder Fötus hat eine eigene Plazenta und Fruchthöhle. Dies ist typisch für zweieiige oder Mischformen, etwa wenn zwei Embryonen aus einer Zygote stammen und ein dritter aus einer separaten. Diese Form tritt häufig bei polyzygoten Mehrlingen auf, insbesondere bei künstlicher Befruchtung.

Sonderfall gemischte Mehrlinge: Kombinationen aus monozygoten und dizygoten Mehrlingen, z. B. zwei eineiige Embryonen (gemeinsame Plazenta) und ein dritter Embryo mit eigener Plazenta.

Eineiig oder zweieiig: Kann das während der Schwangerschaft festgestellt werden?


Ob Mehrlinge eineiig oder mehreiig sind, lässt sich während der Schwangerschaft nicht immer eindeutig feststellen.

  • Teilen sich die Föten eine Plazenta, handelt es sich immer um eineiige Mehrlinge.
  • Haben die Föten eigene Plazenten, können sie entweder mehreiig oder eineiig sein, da auch eineiige Mehrlinge separate Fruchthöhlen und Plazenten entwickeln können.

Für die medizinische Betreuung ist es entscheidend zu klären, ob die Föten eine gemeinsame Plazenta und/oder Fruchthülle teilen. Dies wird mithilfe von Ultraschalluntersuchungen beurteilt. Dabei liefert das sogenannte Lambda-Zeichen (λ) Hinweise auf eine dichoriale Mehrlingsschwangerschaft, während das T-Zeichen auf eine monochoriale Schwangerschaft hinweist.

Anzeichen und Diagnose einer Mehrlingsschwangerschaft


Ob eine Mehrlingsschwangerschaft vorliegt, kann in der Regel ab der 7. Schwangerschaftswoche, also schon bei der ersten Ultraschalluntersuchung, festgestellt werden.

Vorher wäre es an einer sehr hohen HCG-Konzentration im Blut bemerkbar, was allerdings nur ein Labor untersuchen kann.

Andere Hinweise auf Mehrlinge erfolgen im weiteren Verlauf der Schwangerschaft. So ist eine rasche Gewichtszunahme im ersten Trimester möglich, der Bauchumfang fällt größer aus und es sind mehr Kindesbewegungen spürbar.

Es kann auch vorkommen, dass die typischen Schwangerschaftssymptome wie Übelkeit und Brustempfindlichkeit besonders stark ausgeprägt sind, da der Hormonspiegel stärker beeinflusst wird.

Häufigkeit von Mehrlingen: die Hellin-Regel

 


Je höher die Anzahl der Kinder pro Geburt, desto seltener kommen sie vor. In medizinischen Kreisen wird die Häufigkeit von Mehrlingen mit der sogenannten Hellin-Regel oder Hellin-Hypothese angegeben. Diese Regel basiert auf Wahrscheinlichkeitsannahmen und verwendet die Potenzrechnung, um die Häufigkeit von höhergradigen Mehrlingen aus der Häufigkeit von Zwillingen abzuleiten.  Allerdings lässt sie Faktoren wie Ethnie, Demografie, Genetik und Kinderwunschbehandlungen außen vor, die allesamt polyzygote Mehrlinge begünstigen können.

Die Hellin-Regel lautet:

  • Zwillinge: Etwa 1 von 80 Geburten ist eine Zwillingsgeburt. Das entspricht einer Häufigkeit von etwa 1:80 oder 1,25 %.
  • Drillinge: Etwa 1 von 802 Geburten ist eine Drillingsgeburt. Das entspricht einer Häufigkeit von etwa 1:6.400 oder 0,0156 %.
  • Vierlinge: Etwa 1 von 803 Geburten ist eine Vierlingsgeburt. Das entspricht einer Häufigkeit von etwa 1:512.000 oder 0,0002 %.
  • Fünflinge: Etwa 1 von 804 Geburten ist eine Fünflingsgeburt. Das entspricht einer Häufigkeit von etwa 1:40.960.000 oder 0,000002 %.

Ursachen und Einflüsse auf Mehrlingsschwangerschaften


Die Wissenschaft hat folgende entscheidende Faktoren ermittelt, welche vor allem mehreiige Mehrlingsschwangerschaften beeinflussen. Eineiige Mehrlinge hingegen kommen nicht gehäuft vor, weshalb keine beeinflussenden Faktoren ermittelt werden können. Es scheint sich dabei eher um Zufälle zu handeln.

 

Genetische Faktoren

  • Familiäre Vorgeschichte: Frauen mit einer familiären Vorgeschichte von Mehrlingsgeburten, insbesondere auf mütterlicher Seite, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, Zwillinge oder andere Mehrlinge zu bekommen.
  • Ethnische Herkunft: Frauen afrikanischer Abstammung haben häufiger Mehrlingsgeburten als Frauen europäischer oder asiatischer Abstammung.

 

Faktoren, die mit der Frau zusammenhängen

  • Alter und Hormone: Frauen zwischen 35 und 40 Jahren produzieren häufiger mehrere Eizellen pro Zyklus, da der Spiegel des follikelstimulierenden Hormons (FSH) mit dem Alter steigt. Auch Frauen, die während der Stillzeit schwanger werden, haben ein leicht erhöhtes Risiko.
  • Anzahl früherer Geburten: Frauen, die bereits Kinder geboren haben, haben ein geringfügig höheres Risiko für Mehrlingsschwangerschaften, speziell bei höheren Geburtenzahlen.

 

Faktoren, die mit der Lebensweise zusammenhängen

  • Ernährung: Eine proteinreiche Ernährung oder ein hoher Konsum von Milchprodukten könnte das Risiko für Mehrlinge erhöhen. Der Verzehr von Yamswurzeln wird ebenfalls diskutiert.
  • BMI: Frauen mit einem höheren Body-Mass-Index (BMI) haben eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit, Mehrlinge zu bekommen.
  • Geografische Faktoren: In bestimmten Regionen der Welt, insbesondere in Westafrika, kommen Mehrlingsgeburten häufiger vor als in Asien oder Südamerika.

 

Medizinische Faktoren

  • Hormonelle Stimulationsbehandlungen: Fruchtbarkeitsbehandlungen, die Hormone wie FSH oder LH einsetzen, um den Eisprung zu fördern, können dazu führen, dass mehrere Eizellen gleichzeitig freigesetzt werden.
  • In-vitro-Fertilisation (IVF): Bei einer IVF können mehrere Embryonen in die Gebärmutter übertragen werden, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

Risiken bei Mehrlingsschwangerschaften und -geburten

Mehrlingsschwangerschaften sind eine enorme Belastung für den Körper der Frau und kommen mit zahlreichen Risiken für Mutter und Babys einher. Aus diesem Grund wird jede Mehrlingsschwangerschaft als Risikoschwangerschaft und jede Mehrlingsgeburt als Risikogeburt eingestuft.

Mehrlingsgeburten: Aktuelle Rekorde


2021 wurde berichtet, dass die Südafrikanerin Gosiame Thamara Sithole Zehnlinge geboren habe, die zudem auf natürlichem Wege zustande gekommen sein sollen. Bis heute fehlt allerdings eine offizielle Bestätigung dafür.

Aktuell hält eine Frau aus Mali den offiziellen Weltrekord, die ebenfalls 2021 mit nur 25 Jahren gesunde Neunlinge zur Welt brachte. Ursprünglich rechneten die Ärzte mit sieben Babys, da am Ultraschallbild nicht mehr zu erkennen waren. Die Neunlinge seien scheinbar nicht auf künstliche Befruchtung zurückzuführen, sondern natürlich gezeugt worden.

Lange Zeit galt die Amerikanerin Nady Suleman, die 2009 die ersten Achtlinge zur Welt brachte, die allesamt überlebten, als Weltrekordhalterin. Sie wurde in den Medien als „Octomom“ bekannt. Aus medizinischen Kreisen hagelte es allerdings viel Kritik zu ihrem Fall, da die künstlich herbeigeführte Schwangerschaft mit Achtlingen hochriskant für sowohl das eigene Leben als auch jener der Kinder war.

Mediziner warnen davor, solche Mehrlingsgeburten als Sensation zu feiern oder künstlich zu fördern. Die gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kinder sind in solchen Fällen außergewöhnlich hoch. Vielmehr sollten Mehrlingsschwangerschaften als medizinische Herausforderung behandelt werden, die eine gezielte Betreuung erfordert.

Fazit zu Mehrlingen


Mehrlingsschwangerschaften sind medizinisch und emotional eine besondere Herausforderung. Für die Mutter bedeuten sie oft eine enorme körperliche Belastung und ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Frühgeburten, Präeklampsie oder Wachstumsverzögerungen der Babys. Die Kinder benötigen häufig besondere Fürsorge, da sie tendenziell vorzeitig geboren werden und anfälliger für Entwicklungsprobleme sind.

Zudem erfordern Mehrlinge eine intensive medizinische Betreuung sowie eine sorgfältige Planung im Alltag, um den organisatorischen und emotionalen Herausforderungen gerecht zu werden.

Dank moderner medizinischer Fortschritte können viele Risiken erfolgreich gemanagt werden. Dennoch bleibt jede Mehrlingsschwangerschaft einzigartig und erfordert eine individuell angepasste Betreuung, um die Gesundheit von Mutter und Kindern bestmöglich zu schützen.

Gut zu wissen