In-vitro-Gametogenese (IVG): Zwei Väter, keine Mutter?

Die In-vitro-Gametogenese (IVG) könnte die Reproduktionsmedizin revolutionieren und unfruchtbaren sowie homosexuellen Paaren oder auch Singles neue Hoffnung in Bezug auf den Kinderwunsch geben. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Technologie?

Irgendwann hat man bestimmt schon mal von der Idee gehört oder gelesen, dass es in der Zukunft der Menschen nicht mehr zwei Geschlechter benötigen wird, um sich fortzupflanzen. Was für manche noch wie Science-Fiction klingen mag, ist in Japan bei Mäusen schon geglückt.

Experten sind allerdings der Meinung, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis diese Technologie auch für Menschen verfügbar sein wird. Dr. Josef Zech wagt einen Blick in die Zukunft der Reproduktionsmedizin.



In-vitro-Gametogenese (IVG): Was ist das?

 

In-vitro-Gametogenese (IVG) ist ein revolutionäres Verfahren in der Reproduktionsmedizin, das die Herstellung künstlicher Keimzellen – also Ei- und Samenzellen – aus Stammzellen im Labor ermöglicht.

Einem japanischen Forschungsteam in Osaka ist es 2023 erstmals gelungen, gesunde und sogar fruchtbare bipaternale Maus-Nachkommen zu züchten – also Mäusebabys, die zwei Väter und keine Mutter haben.

Die Zucht von gesunden und fruchtbaren, bimaternalen Mäusen (Mäuse mit zwei Müttern, aber keinen Vater), gelang 2018 bereits einem chinesischen Forschungsteam.


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Die vielen Überbegriffe für Ei- und Samenzelle

Fachsprachlich werden als zusammenfassende Überbegriffe für Ei- und Samenzelle hauptsächlich „Gameten“ oder „Keimzellen“ verwendet, gelegentlich auch „Geschlechtszellen“.


Wie funktioniert IVG?


IVG basiert auf der Fähigkeit von Stammzellen, sich in verschiedene Zelltypen zu differenzieren. Wissenschaftler nutzen Stammzellen, die das Potenzial haben, sich in jede Zellart zu entwickeln (pluripotente Zellen), und leiten sie dazu an, sich in Gameten zu verwandeln. Dieser Prozess erfordert eine komplexe Steuerung der Zellumgebung und spezifische Signale, um die Differenzierung in Ei- oder Samenzellen zu fördern.



Grob erklärt, ging das japanische Forschungsteam so vor: Zunächst wandelten sie Hautzellen von männlichen Mäusen in pluripotente Stammzellen um. Anschließend entfernten sie das Y-Chromosom aus der Zelle, um sie in einem weiteren Schritt in eine Eizelle umzuprogrammieren.

Übrigens: Die künstliche Herstellung von menschlichen Gameten aus Stammzellen ist der Forschung bereits geglückt. Sowohl einem Team aus britischen und amerikanischen Forschern als auch einer israelischen Forschungsgruppe gelang 2023 die Erzeugung von künstlichen menschlichen Embryonen. Ob sich daraus lebende Organismen entwickeln können, bleibt allerdings unklar. Die menschlichen Embryonen können und dürfen derzeit nicht ausgetragen werden, da es sich noch immer um eine Grundlagenforschung handelt.

Forscher schätzen jedoch, dass die Technologie in den nächsten zwei Jahrzehnten bald zur Anwendung bereit sein wird, weshalb ethische Diskussionen bereits jetzt geführt werden sollten. Manche Forscher gehen sogar von lediglich zehn Jahren aus.

Welche Vorteile bietet IVG?


IVG bietet eine Vielzahl potenzieller Vorteile in der Reproduktionsmedizin:

 

  • Unfruchtbare Kinderwunschpaare können Kinder mit ihrem eigenen Erbgut bekommen und sind nicht mehr auf eine Eizell- oder Samenspende angewiesen.
  • Frauen müssen sich nicht mehr Eingriffen wie einer Hormonbehandlung und Eierstockpunktion unterziehen, um Eizellen für eine IVF zu gewinnen.
  • Homosexuelle Paare können ein genetisch eigenes Kind bekommen.
  • Die natürliche Altersgrenze der Fruchtbarkeit kann überwunden werden, da mit IVG auch ältere Paare noch Kinder bekommen können.
  • Genetische Erkrankungen können von vornherein ausgeschlossen werden.

Abseits vom Menschen verspricht die IVG-Technologie zudem, vom Aussterben bedrohte Säugetierarten zu retten.

Risiken und Herausforderungen


Trotz der vielversprechenden Möglichkeiten birgt IVG auch erhebliche Risiken und Herausforderungen. Da die Technologie noch in den Anfängen steckt, gibt es viele Unsicherheiten bezüglich der Langzeitsicherheit und der ethischen Implikationen. Mögliche genetische Fehler bei der Zellreprogrammierung und Differenzierung könnten zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.

Auch soziale Fragen werden aufgeworfen: Wie wird sich der Arbeitsmarkt und die Gesellschaft verändern, wenn Familienplanung plötzlich in einem höheren Alter möglich ist? Wie geht man mit dem Geburtsrisiko um, das mit steigendem Alter der Gebärenden zunimmt? Homosexuelle Frauen haben mit IVG die Möglichkeit, ein Kind ohne Samenspende zu zeugen und zu gebären, aber welche Möglichkeit zur Austragung haben homosexuelle Männer, da die Leihmutterschaft in Österreich und vielen anderen Ländern verboten ist? Darauf und auf noch viele weitere Fragen müssen Antworten gefunden werden, bevor die IVG Einzug in die tägliche Arbeit von Kinderwunschkliniken erhält.

Fazit zu IVG


Die In-vitro-Gametogenese stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Reproduktionsmedizin dar und hat das Potenzial, die Behandlungsmöglichkeiten für unfruchtbare und homosexuelle Paare sowie Singles mit Kinderwunsch erheblich zu erweitern. Obwohl die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, bieten die ersten Forschungsergebnisse vielversprechende Perspektiven. Dennoch sind ethische und gesellschaftliche Fragen dringend zu klären, bevor IVG als Standardbehandlung etabliert werden kann. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die IVG, ähnlich wie die IVF, allgemein verfügbar wird. Zudem muss im Vorfeld jedes Land für sich noch so einige rechtliche Fragen klären. Experten prognostizieren aber, dass die IVG-Forschung in den nächsten zehn Jahren enorme Fortschritte machen wird und die Reproduktionsmedizin entscheidend voranbringen könnte.

FAQs zu IVG


Was ist der Unterschied zwischen IVF und IVG?
IVF (In-vitro-Fertilisation) ist ein Verfahren, bei dem natürlich erzeugte Eizellen und Spermien im Labor zusammengeführt werden, um eine Befruchtung zu ermöglichen. IVG (In-vitro-Gametogenese) hingegen beinhaltet die künstliche Erzeugung von Gameten (Ei- und Samenzellen) aus Stammzellen im Labor, die dann für die Befruchtung verwendet werden können.

Welche Vorteile bietet IVG für unfruchtbare Paare?
IVG könnte unfruchtbaren Paaren ermöglichen, auf Samen- und Eizellspenden zu verzichten und somit genetisch eigene Kinder zu bekommen, obwohl sie auf natürlichem Wege oder durch herkömmliche IVF-Verfahren keine Kinder bekommen können.

Welche Vorteile bietet IVG für homosexuelle Paare?
IVG könnte homosexuellen Paaren ermöglichen, auf benötigte Samen- und Eizellspenden zu verzichten und somit genetisch eigene Kinder zu bekommen. Homosexuelle Männer würden daraufhin „nur“ noch eine Leihmutter zur Austragung des Kindes benötigen.

Welche Risiken sind mit IVG verbunden?
Zu den Risiken gehören mögliche genetische Fehler bei der Zellreprogrammierung und Differenzierung, die zu gesundheitlichen Problemen führen könnten. Zudem gibt es ethische und rechtliche Herausforderungen, die berücksichtigt werden müssen.

Wie weit fortgeschritten ist die Forschung zu IVG?
Die Forschung schreitet seit einigen Jahren sehr schnell voran, mit vielversprechenden Ergebnissen in Tierversuchen. Klinische Studien am Menschen sind jedoch noch einige Jahre entfernt, und es bedarf weiterer Forschung, um die Technologie sicher und effektiv zu machen.

Welche ethischen Überlegungen sind bei IVG wichtig?
Wichtige ethische Fragen betreffen die Manipulation des menschlichen Genoms, die Erzeugung von Leben im Labor und die Möglichkeit der Schaffung von sogenannten Designerbabys. Es ist wichtig, dass die Technologie verantwortungsvoll und ethisch genutzt wird.

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